von apa 10.08.2017 11:20 Uhr

Razzien gegen Journalisten in Türkei

Die türkische Polizei hat bei Razzien in Istanbul zahlreiche Journalisten festgenommen. Insgesamt sei die Festnahme von 35 Medienvertretern angeordnet worden, meldete der Sender CNN Türk am Donnerstag. Zu den bereits Festgenommenen zählt auch ein Redakteur der regierungskritischen Zeitung “Birgün”.

APA (AFP/Archiv)

Den Journalisten würden Verbindungen zur Bewegung um den Prediger Fethullah Gülen vorgeworfen, die die türkische Führung für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich macht. Laut CNN Türk werden sie beschuldigt, den Messenger-Dienst ByLock benutzt zu haben. Über den Dienst sollen Gülen-Anhänger unter anderem über die Vorbereitung des Putschversuchs kommuniziert haben. Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Terrororganisation.

Unter dem nach dem Putschversuch verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Gülen-Anhänger vor. Zehntausende wurden verhaftet, zahlreiche Medien geschlossen und mehr als 100.000 Staatsbedienstete per Notstandsdekret entlassen oder suspendiert.

Der türkischen Regierung dient ByLock als zentrales Beweismittel gegen Anhänger der Gülen-Bewegung: Wer die Messenging-App auf seinem Smartphone hat, gehört aus Sicht von Ankara zur verbotenen Bewegung des islamischen Predigers.

Der Wert des Programms als Beweis für eine Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung ist jedoch höchst umstritten. Nach Angaben der türkischen Behörden wurde die App speziell für die Gülen-Bewegung entwickelt, um ihren Mitgliedern zu erlauben, verschlüsselt miteinander zu kommunizieren. Demnach war die Software nicht frei im Internet erhältlich, sondern wurde nur persönlich innerhalb der Gülen-Bewegung weitergegeben.

Anders als bei dem beliebten Messenger WhatsApp reichte es bei ByLock nicht, die Telefonnummer eines Nutzers zu kennen, um mit ihm kommunizieren zu können. Vielmehr war dafür dessen persönliche ID-Nummer nötig. Allerdings war die App sehr wohl im Internet frei verfügbar. So konnte sie ab September 2014 im Apple App Store sowie ab März 2015 im Google Play Store heruntergeladen werden.

Nach Angaben des IT-Experten Alper Basaran wurde die App später zwar von beiden Firmen wieder aus dem Angebot genommen; aber noch heute sei die Software im Internet zu finden. Breitere Bekanntheit scheint die App dennoch nicht gefunden zu haben. Viele hatten von ByLock noch nie gehört, bevor die App nach dem Putschversuch vor einem Jahr zum Thema wurde.

Der Patenthalter der App, David Keynes, bestätigte in einem Interview mit der Zeitung “Hürriyet” im Oktober 2016, dass “90 Prozent” der Nutzer Anhänger Gülens gewesen seien. Der türkischstämmige US-Bürger gab zudem an, dass ein früherer Mitbewohner in Portland mit dem Decknamen “Fuchs” die Software entwickelt habe. Und “Fuchs” habe zur Gülen-Bewegung gehört.

Allerdings sagte Keynes, dass ByLock seit Jänner 2016 nicht mehr im Einsatz gewesen sei und daher auch keine Verwendung zur Planung des Putschversuchs gefunden haben könne. Laut der IT-Sicherheitsexpertin Eva Galperin von der Electronic Frontier Foundation gaben die Gülen-Anhänger die App damals auf, weil sie realisiert hatten, dass sie vom türkischen Geheimdienst MIT gehackt worden war.

Der Geheimdienst war im Mai 2015 in den ByLock-Server in Litauen eingedrungen und hatte nach eigenen Angaben 100.000 der mehr als 215.000 Nutzer identifizieren können. Nach Angaben von Experten war bei ByLock zwar die Kommunikation zwischen den Nutzern verschlüsselt, doch waren auf dem Server ihre Daten leicht zugänglich. Galperin urteilt daher wie andere Experten, dass ByLock keine sichere App war.

Zehntausende Menschen wurden in der Türkei inzwischen wegen der angeblichen Nutzung von ByLock festgenommen. Auch der türkische Amnesty-Direktor Taner Kilic und der UN-Richter Aydin Sefa Akay wurden inhaftiert, weil sie ByLock genutzt haben sollen.

Viele bestreiten, die App aktiv genutzt zu haben oder zur Gülen-Bewegung zu gehören. Ob die türkischen Gerichte den Besitz der App letztlich als ausreichenden Beweis für die Mitgliedschaft in der als Terrororganisation eingestuften Bewegung gelten lassen, werden die Prozesse in den kommenden Monaten zeigen.

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