von apa 15.05.2017 05:57 Uhr

Neuwahl – Koalition verhandelt über Scheidungsmasse

Die erwartete vorgezogene Nationalratswahl wird wohl im Oktober stattfinden: Die Opposition einigte sich am Montag auf einen gemeinsamen Neuwahlantrag, ÖVP und dann auch SPÖ kündigten ihre Unterstützung an. Die beiden Koalitionspartner, die nicht mehr miteinander wollen, verhandeln noch darüber, was sie bis zur Wahl doch noch gemeinsam beschließen wollen.

APA

Das Taktieren von allen Seiten hat sich am Montag fortgesetzt, die innenpolitischen Ereignisse haben sich wie schon in den letzten Tagen seit Reinhold Mitterlehners Rücktritt als ÖVP-Chef regelrecht überschlagen: Der neue ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, Bundeskanzler Christian Kern und Bundespräsident Alexander Van der Bellen kamen in unterschiedlichen Konstellationen zusammen, um über die weitere Vorgangsweise zu beraten.

Die Oppositionsspitzen einigten sich unterdessen am späten Nachmittag auf einen gemeinsamen Neuwahl-Antrag. Dieser soll voraussichtlich am Mittwoch im Nationalrat eingebracht werden, und zwar mit dem Vorbehalt einer Fristsetzung bis Ende Juni. Damit will man gewährleisten, dass der neue Eurofighter-U-Ausschuss zumindest ein bisschen arbeiten kann. Angepeilt wird ein Termin am 8. oder 15. Oktober. FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach hätten die Initiative ergriffen, weil offensichtlich “die Zerrüttung zwischen SPÖ und ÖVP so weit geht, dass sie nicht einmal einen ordentlichen Ablauf für Neuwahlen zustande bringen”, erklärte Grünen-Chefin Eva Glawischnig.

ÖVP-Chef Kurz kündigte sogleich gegenüber der APA an, dass seine Partei den Antrag der Opposition “auf jeden Fall” unterstützen werde, womit die Mehrheit gesichert ist. Nun läge es nur noch an der SPÖ, eine Allparteien-Einigung umzusetzen, meinte Kurz. Er sehe jedenfalls eine sehr gute Möglichkeit, einen geordneten Weg zu finden. Auch die SPÖ tat kund, dem Vorschlag der Opposition beizutreten: “Der Vorschlag ist für uns ein guter”, erklärte Klubchef Andreas Schieder gegenüber der APA.

Einfach ist die Sache dennoch nicht, gibt es zwischen SPÖ und ÖVP doch noch einiges zu klären. Am Rande des morgigen Ministerrats, der wegen der folgenden Plenarsitzung im Parlament stattfindet, sollen Kern und Kurz nach APA-Informationen weiter verhandeln. Es geht etwa um den konkreten Neuwahl-Termin, wobei sich der 15. Oktober abzeichnet. Auch wird getüftelt, wie man beim Neuwahl-Antrag technisch löst, dass der U-Ausschuss möglichst lange tagen kann.

Weil Mitterlehner auch seine Posten als Wirtschaftsminister und vor allem Vizekanzler abgibt, drehen sich die Gespräche auch um Personelles. Bis zu einer Klärung wird Mitterlehner seine Regierungsämter weiter ausüben. Kern hätte gerne Kurz als Vizekanzler, der hielt sich aber bedeckt. Nun wird jedenfalls versucht, eine Möglichkeit zu finden, wie man Kurz bis zur Wahl an Abmachungen in der Koalition binden könnte, auch wenn er nicht den Vizekanzler machen würde.

Justizminister Wolfgang Brandstetter dürfte nach Informationen der APA vorübergehend Vizekanzler werden: Der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz wird dem Vernehmen aus der ÖVP nach Kanzler Christian Kern (SPÖ) Minister Brandstetter als Vizekanzler für die letzten Monate bis zur vorgezogenen Wahl vorschlagen. Staatssekretär Harald Mahrer soll Wirtschaftsminister und das Staatssekretariat eingespart werden.

Damit dürfte Kurz wie erwartet den Posten des Vizekanzlers, der nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner frei wurde, einem anderen aus seinem Team überlassen, um sich auf seine Rolle als Parteichef und Spitzenkandidat konzentrieren zu können. Am späten Nachmittag sprach Brandstetter vor Journalisten noch davon, keine Ambitionen auf den interimistischen Posten des Vizekanzlers zu haben, nun kommt es offensichtlich doch anders.

Brandstetter ist unabhängiger Minister auf einem ÖVP-Ticket. Gerade nach Monaten des Streits sei er ein “Signal der Sachlichkeit”, er sei in der SPÖ anerkannt und geeignet, um in Ruhe die bereits fertig verhandelten Punkte des Regierungsprogramms abzuarbeiten, meint man in der ÖVP. Im Büro von Parteichef Kurz wollte man die Rochaden Montagabend auf APA-Anfrage nicht bestätigen.

Die SPÖ besteht darauf, dass Kurz auch den Posten den Vizekanzlers übernimmt: Dies sei “unsere Erwartung und, wenn Sie so wollen, unsere Bedingung”, sagte Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) Montagabend im ORF-“Report”. Es sei eine “Selbstverständlichkeit”, dass Kurz auch die Verantwortung in der Regierung wahrnehme, pochte Drozda auf Kurz als Vizekanzler.

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) werde Kurz vorschlagen und er gehe davon aus, dass Kurz die Verantwortung übernehme. Wenn Kurz andere für das Amt vorschlage, werde sich jeder ein Bild machen können und dann werde sich die Zusammenarbeit eben auf der parlamentarischen Ebene abspielen, meinte Drozda.

Wie die APA zuvor aus ÖVP-Kreisen erfahren hat, wird Außenminister Kurz die Funktion des interimistischen Vizekanzlers aber nicht selbst wahrnehmen. Kurz will dem Kanzler stattdessen Justizminister Wolfgang Brandstetter als Vizekanzler vorschlagen – als “Signal der Sachlichkeit”, wie es heißt. Kurz könnte sich so auf seine Rolle als Parteichef und Spitzenkandidat konzentrieren.

Der Kanzler lädt übrigens am morgigen Dienstagnachmittag alle Oppositionschefs zu sich, um die weitere Vorgangsweise zu besprechen.

Bis zum Urnengang wollen SPÖ und ÖVP noch gemeinsam ein bisschen was umsetzen, wie beide Seiten versicherten. Am Montag hat man Themen ausgetauscht, die man noch gemeinsam beschließen will, wobei man sich dem Vernehmen nach weitgehend einig ist.

Ist alles fixiert, soll es ein Treffen von Kern und Kurz mit Bundespräsident Van der Bellen geben. Ein solches war bereits für heute angedacht, dürfte aber eher nicht mehr stattfinden. Bei dem Dreier-Treffen dürfte dann wohl auch die Regierungsumbildung fixiert werden. Van der Bellen betonte jedenfalls, die Bevölkerung und er selbst erwarten sich nun “rasch Klarheit”.

Jetzt
,
oder
oder mit versenden.

Es gibt neue Nachrichten auf der Startseite