von apa 27.03.2017 20:26 Uhr

Kern: “Starkes Österreich nur in starkem Europa”

“60 Jahre EU – Wie geht es weiter? Welche Rolle spielt Österreich?” Unter diesem gegenwärtig vielfach diskutierten Thema lud die Vertretung der EU-Kommission am Montagabend zum “Bürgerforum” mit prominenter Besetzung. An deren Spitze Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) einmal mehr sein Credo bekräftigte: “Es wird ein starkes Österreich nur dann geben, wenn es ein starkes Europa gibt.”

APA (AFP)

Aus einem simplen Grund, meinte Kern: “Alle unsere Herausforderungen – ob das Migration ist, Sicherheitspolitik oder Wirtschaftspolitik, alle diese Fragen werden wir nur gemeinsam lösen können – und nicht aus Österreich.” Allerdings ist für ihn dazu ein “Mindset-Wechsel” nötig, vom bisherigen Fokus auf Deregulierung und Wettbewerb hin zu einer Betonung der sozialen Komponente Europas. “Wir brauchen ein Europa, in dem die Menschen das Gefühl haben, dass sie und ihre Interessen im Mittelpunkt stehen und nicht Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen.” Diesbezügliche Debatten im Rat der EU-Staats- und Regierungschefs erlebe er aber oft eher “entmutigend”, beklagte Kern.

Der Kanzler nannte zwei Grundübel für die gegenwärtige Krise der EU: Nach der letzten großen Erweiterung der Gemeinschaft seien die Entscheidungsmechanismen (Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips, Anm.) nicht angepasst worden und mit der Einführung der Währungsunion sei keine Anpassung der Fiskal- und Wirtschaftspolitik einhergegangen. “Es ist klar, dass nur ein mehr an Integration uns in diesen Dingen weiterbringen kann – und das müssen wir intelligent organisieren.”

Zwei Diagnosen, die der frühere Grüne EU-Parlamentarier Johannes Voggenhuber vollinhaltlich unterschreiben kann. Dass aber eine Lösung in einem von der EU-Kommission propagierten “Europa der zwei Geschwindigkeiten” liegen kann, bestreitet Voggenhuber vehement: “Weil darin nicht die Geschwindigkeit bestimmt wird, sondern die Richtung” und damit ein kleiner Kern von großen Staaten “die Richtung der Integration dominieren und die Kleinen zu Nachzüglern machen, die – nach der Methode ‘Friss, Vogel, oder stirb’ die Integration Europas nicht mehr mitgestalten, sondern nur mehr ‘aufspringen’ können.” Auch Österreich könne folglich dabei nur verlieren, meinte Voggenhuber. Stattdessen müsse das lähmende Einstimmigkeitsprinzip fallen und bestimmte Entscheidungen mit Zweidrittel- oder Dreiviertel-Mehrheit beschlossen werden können, “damit wir wenigstens die Blockierer loswerden, die Erpresser, die Nötiger”.

Was von Kern prompt als “hochintelligenter, schlauer Vorschlag” gewürdigt wurde. Als Beispiel nannte der Kanzler die nach der Osterweiterung der EU nicht gelungene Angleichung der Wirtschaftsleistung und des Lohnniveaus sowie das daraus entstandene Problem: 180.000 Personen, die in Österreich für Firmen in ihren Heimatländern arbeiteten, seien vielfach von “brutalem Lohn- und Sozialdumping” betroffen. Aber der Versuch, die sogenannte Entsenderrichtlinie auf EU-Ebene zu reformieren, scheitere dort an “elf Ländern, die sagen uns: ‘nein, da machen wir nicht mit. Schauts, wo ihr bleibts.”

Auch die Delegationsleiterin der SPÖ-Abgeordneten im Europaparlament, Evelyn Regner, sieht das nach wie vor geltende Einstimmigkeitsprinzip im EU-Rat als ein Hauptproblem, so auch in der Frage einer gerechten Besteuerung großer Unternehmen: “Das geht natürlich nur europäisch, allein kommt man da nicht vom Fleck.” Zustimmung erhielt Regner dafür auch vom ÖVP-Delegationschef im EU-Parlament Othmar Karas.

Karas sprach auch ein weiteres klassisches Thema der Europapolitik an: “Wir haben einen Widerspruch zwischen der Europa-Debatte zuhause und den Notwendigkeiten Europas – und auch Österreichs.” Er wünscht sich “eine europapolitische Debatte, wo wir sagen, was wir für richtig und notwendig für Österreich in Europa und Europa in der Welt erachten – und nicht als Erst-Adressaten die Stimmungsmache und den Boulevard sehen, das tagespolitische Punkten.” Nachsatz: “Und das trifft bei allen Parteien zu.” Bezug nehmend auf die derzeit vor allem von ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz vorangetriebene Debatte über eine Kürzung der Familienbeihilfe für nicht in Österreich lebende Kinder hier arbeitender EU-Bürger meinte Karas: “Dann muss ich das EU-Recht ändern. Dann darf ich nicht sagen ‘ich beschließe das – und wenn es die EU wieder aufhebt, dann ist die EU schuld’. Damit bediene ich den Populismus, die nationale Karte gegenüber dem europäischen Ziel.”

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