von apa 18.03.2017 10:27 Uhr

Nobelpreisträgerin Alexijewitsch in Heidenreichstein

“Swetlana” steht in roter Schrift auf den Ankündigungsplakaten der elften Festivalausgabe von “Literatur im Nebel”, die am Freitagabend in der voll besetzten Margithalle von Heidenreichstein eröffnet wurde. Zwei Tage lang ist erstmals eine Nobelpreisträgerin zu Gast: Der weißrussischen Autorin Swetlana Alexijewitsch wird im Waldviertel mit Lesungen, Vorträgen und Gesprächen Reverenz erwiesen.

APA (AFP)

Ihr bevorzugtes Thema sind Kriege, aber auch die Atomkatastrophe von Tschernobyl, ihre Methode ist jene der dokumentarischen Prosa. Alexijewitsch, Jahrgang 1948, empfindet den Zweiten Weltkrieg noch heute als “riesigen Felsbrocken, der alles erdrückt hat”. Sie hat Gespräche mit Menschen geführt, die damals noch Kinder waren (“Die letzten Zeugen”), aber auch mit Rückkehrern und Verwandten von im Afghanistan-Krieg Gefallenen (“Zinkjungen”), und wurde dafür gerichtlich belangt.

Die “Zerstörung der Propaganda” sei für sie gar nicht das Wesentlichste, sagte die Schriftstellerin, sondern das “Durchbrechen des Kanons vom Erzählen über den Krieg aus männlicher Sicht”. Ihr Selbstverständnis definiert sie als “Historikerin der Gefühle” und gelangt dabei zu Fragestellungen wie “Wenn man Menschen tötet, wird man nicht verrückt?”.

Der Publizist Erich Klein würdigte die “dokumentarische Literatur” von Alexijewitsch als “sehr kunstvolle Form”, in der sich eine radikale Personalisierung von Erinnerung ereigne: “Sie nötigt, nicht nur betroffen zu sein, sondern länger nachzudenken.” Aus dem 1985 erschienenen Erstling “Der Krieg hat kein weibliches Gesicht” und anderen Werken der Nobelpreisträgerin von 2015 lasen u.a. Lily Epply, Sandra Gugic, Maria Köstlinger, Dimitrij Schaad, Bernhard Schir und David Bennent.

Mit ihrem bisherigen Themenkreis habe sie allerdings abgeschlossen, erklärte Alexijewitsch. Sie wolle ein Buch über die Liebe schreiben und ein weiteres über das Alter. Ob sie nicht auch ein Buch über das Waldviertel schreiben könnte? “Auf keinen Fall”, war die Antwort. “Da hätte ich hier geboren sein oder mit den Menschen hier leben müssen.”

Das von Rudolf Scholten und Robert Schindel begründete Festival wird nun jeweils im Frühjahr statt wie bisher im Herbst veranstaltet. Als Grund dafür gab Moderatorin Andrea Schurian an, dass Dramaturgin Bettina Hering durch ihre Funktion als Schauspielchefin der Salzburger Festspiele nicht anders abkömmlich sei.

(S E R V I C E – Heidenreichstein: “Literatur im Nebel”, www.literaturimnebel.at)

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