von apa 22.02.2017 12:44 Uhr

Häftling vor OP gestorben, Justiz weist Vorwürfe zurück

Nach dem Tod eines Häftlings der Justizanstalt Hirtenberg erheben die Hinterbliebenen schwere Vorwürfe. Der Mann soll seit einem halben Jahr über starke Bauschmerzen geklagt, vom Anstaltsarzt zunächst aber nur Schmerzmittel und Infusionen bekommen haben. “Wäre er zeitgerecht lege artis behandelt worden, wäre er noch am Leben”, so der Rechtsvertreter der Familie, Mirsad Musliu.

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Der 55-Jährige litt laut Margit Winterleitner, Chefärztin der Generaldirektion für den Strafvollzug, an einem Hodenbruch. Dieser habe ihm im Gefängnis aber keine gröberen Probleme bereitet: “Er hat nie über Schmerzen geklagt. Er hat auch keine großartigen Schmerzmittel bekommen.” Der Mann war “kein Risikopatient”, betonte die für alle 28 Justizanstalten zuständige Ärztin im Gespräch mit der APA.

Den Angehörigen des Mannes zufolge sollen demgegenüber zwei Monate vergangen sein, ehe der immer wieder auf seine Schmerzen hinweisende Häftling von der Justizanstalt in ein Wiener Krankenhaus gebracht und näher untersucht wurde. Dabei wurde ein Operationstermin für den 16. November 2016 vereinbart. Dieser Termin wurde nach Angaben der Hinterbliebenen kurzfristig “abgeblasen” – angeblich aus Zeitgründen. Der 55-Jährige wurde wieder nach Hirtenberg überstellt.

Laut Winterleitner wurde der Eingriff seitens des Spitals verschoben. Zurück im Gefängnis habe es bei dem Häftling keine medizinischen Auffälligkeiten gegeben. Vor dem neuen OP-Termin Anfang Dezember sei der 55-Jährige eingehend und auch extern – konkret in zwei Krankenhäusern in Niederösterreich und Wien – untersucht und vorbereitet worden. “Es wurde das medizinische Prozedere eingehalten. In den Voruntersuchungen haben sich internistisch keine klaren Risikofaktoren gezeigt. Er hatte erhöhten Blutdruck, das ist bei einem 55-Jährigen aber nicht ungewöhnlich”, erklärte Winterleitner.

Der 55-Jährige wurde schließlich am 1. Dezember “in gutem Zustand” wieder in das Wiener Spital überstellt, wie Winterleitner darlegte. Ihm wäre ein “Routineeingriff” bevor gestanden, so die Chefärztin des Strafvollzugs. Am darauf folgenden Tag musste der Häftling allerdings auf die Intensivstation verlegt werden. Trotz entsprechender notfallmedizinischer Maßnahmen kam es zu einem Leber-und Nierenversagen. Am 5. Dezember wurde zusätzlich eine Bauchspeicheldrüsenentzündung diagnostiziert. Am 6. Dezember trat infolge Multiorganversagens der Tod ein.

“Ich gehe davon aus, dass entweder den Anstaltsarzt oder das Spital ein Verschulden trifft”, so der Rechtsvertreter der betroffenen Familie. Den Hinterbliebenen gehe es darum “zu erfahren, aus welchen Gründen es zum für sie unerwarteten Tod gekommen ist”, bekräftigte Musliu gegenüber der APA.

Bei der Staatsanwaltschaft Wien sind in dieser Sache Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung anhängig, bestätigte Behördensprecherin Nina Bussek. Diese richten sich derzeit gegen unbekannte Täter. Von der Justiz wurde ein Obduktionsgutachten in Auftrag gegeben. Die Hinterbliebenen haben sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen.

Die Justizanstalt Hirtenberg gab sich zu dem Fall vorerst bedeckt. “Was den Gesundheitszustand und die Behandlung des Häftlings betrifft, kann ich im Hinblick auf das laufende Verfahren keine Auskunft geben”, meinte der Sprecher der Justizanstalt, Major Herbert Pusterhofer, auf APA-Anfrage. “So ein Todesfall ist immer tragisch. In erster Linie gilt unser Mitgefühl den Hinterbliebenen”, betonte er.

Laut Chefärztin Winterleitner war man in der Justizanstalt Hirtenberg vom Ableben des Häftlings völlig überrascht: “Er ist in Vorbereitung auf die Operation gestorben.” Zu den Vorgängen im Spital konnte sie keine Stellung nehmen. Ob es dort zu allfälligen Versäumnissen oder ärztlichem Fehlverhalten gekommen ist, obliegt der Prüfung der Staatsanwaltschaft. Erste Aufschlüsse sind vom Obduktionsgutachten zu erwarten, das möglicherweise schon in den kommenden Tagen zugestellt wird.

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