von apa 20.02.2017 12:35 Uhr

Die Ent-Erotisierung Egon Schieles: Albertina zeigt Bestände

“Wir müssen uns lösen von einer erotischen Lesart”, gibt Klaus Albrecht Schröder die Stoßrichtung der aktuellen Albertina-Ausstellung vor. Der Chef des Hauses hat die neue Egon-Schiele-Schau aus den Beständen der Albertina selbst kuratiert und will neue Einblicke in das Oeuvre des Malers liefern. Der Kern: “Seine Werke sind Aussagen über den Menschen – nicht über seine Sexualität.”

APA (Ernst Ploil, Wien)

Die Albertina besitzt 160 Einzelblätter und 13 Skizzenbücher von Schiele – von denen ein guter Teil in der Ausstellung zu sehen sind, ergänzt um 20 Leihgaben. Museumsfreunde werden dementsprechend vielen alten Bekannten aus der bis dato letzten großen Schiele-Schau im Haus 2005 wiederbegegnen. “Dieses Mal haben wir aber das Glück, dass wir wieder eine neue Perspektive einnehmen können”, so Schröder vor Journalisten.

Man fokussiert sich auf die Jahre zwischen 1910, als sich der junge Schiele der Ästhetik des Hässlichen zuwandte, und dem Todesjahr 1918. Obgleich der streng chronologischen Hängung, gelingt das Aufzeigen thematischer Entwicklungslinien, wobei die Menschwahrnehmung Schieles den roten Faden bildet. “Egon Schiele reduziert den Menschen auf den Menschen”, so Schröder. Bis auf wenige Ausnahmen sind seine Modelle weder zeitlich noch räumlich verortet, sondern ganz auf ihren eigenen, bedrängten Körper reduziert.

“Er ist an den existenziellen Fragen interessiert, er ist kein Chronist der Zeitgeschichte”, unterstreicht der Kurator – und bringt das Zeitkolorit selbst in die Schau, indem Fotografien der verdämmernden Donaumonarchie jene sozialen Verhältnisse in die Räumlichkeiten holen, die sich in den grafischen Arbeiten selbst nicht oder allenfalls indirekt finden. “Der Erste Weltkrieg geht an Egon Schieles Kunst spurlos vorüber.” Schiele interessiert im Gegensatz dazu das, was bleibt, wenn der Mensch ganz auf sein Wesen reduziert wird: “Er war zeichnender Moralist.” Bilanzierend ist die Erkenntnis aus den Werken ebenso nüchtern wie ernüchternd: “Am Ende des Tages ist der Mensch allein.”

Die bei Schiele nicht zu vermeidende Pädophilie-Diskussion angesichts seiner teils im kindlichen Alter befindlichen Modelle und der Fokus auf Nacktheit im Allgemeinen, entspringe daher eher einem Missverständnis. Der ausgemergelte, gestauchte Körper diene nicht als erotische Projektionsfläche, sondern stehe als symbolisches Zeichen für sich. Schließlich spreche man auch bei den Schiele-Selbstbildnissen nie von erotischem Akt – und die Frage stelle sich, weshalb das bei den weiblichen Modellen anders sein solle. “Wir müssen einmal auch die andere, die spirituelle Seite sehen”, fordert der Albertina-Direktor.

Dementsprechend wird in der Schau Schieles Begeisterung für Franz von Assisi thematisiert oder seine Arbeiten als aktionistische Inszenierungen begriffen, als bewusste Aneignung von Rollen. “Egon Schiele ist ein Vorläufer der performativen Kunst”, so Schröder. Zugleich ist der 1918 im Alter von 28 Jahren an der Spanischen Grippe verstorbene Künstler dank seiner Betonung der Linie als Ausdrucksträger der Figur und mit seiner antinaturalistischen Farbgebung auch der Mitbegründer des Expressionismus. Und doch bleibe bei seinen Arbeiten bis heute zu konstatieren: “Man schaut einen Schiele an und hat das Gefühl, das sei gestern gemacht worden.”

(SERVICE – “Egon Schiele” in der Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien von 22. Februar bis 18. Juni. Katalog “Egon Schiele” von Johann Thomas Ambrozy und Klaus Albrecht Schröder (hrsg.), Verlag Hirmer, 344 Seiten, 45 Euro. )

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