von apa 22.09.2016 10:10 Uhr

Die Kunst vor der Kunst: “Fremde Götter” im Leopold Museum

Rudolf Leopold sammelte Stammeskunst. Keine zufällige Neigung, sondern ein logisches Fortführen seiner Liebe zum Expressionismus: Mit der großen Ausstellung “Fremde Götter” zeigt das Leopold Museum ab Freitag wie die -Ismen der Moderne die Kunst ihrer Kolonien zitierten. 200 Objekte aus Afrika und Ozeanien und hochkarätiger “Primitivismus” von Picasso bis Klee.

APA (Archiv)

Die Gegenüberstellung bietet sich an und bestätigt: Weder der Surrealismus, noch der Kubismus und auch nicht der Expressionismus wurden in der Moderne erfunden, sondern entstammen direkt der Wiege des Menschen. “Es ist eine Kunst vor der Kunst”, erklärte Kurator Ivan Ristic bei der heutigen Pressekonferenz. In den Sprachen der entsprechenden Stämme gebe es für Kunst gar kein Wort. Und doch ist bereits alles da – die Formensprache, die den französischen Kubisten imponierte, die Romantik des “Wilden”, mit der sich die deutschen Expressionisten gegen das Bestehende auflehnten, die reiche Ornamentik Ozeaniens, die den Surrealisten die gesuchte “Skriptur des Unbewussten” vorgab.

“Unseren Kindern haben immer die afrikanischen Objekte besser gefallen”, erzählte Elisabeth Leopold, die sich gegen das Vorurteil wehrte, dass die afrikanischen Masken und Figuren erst durch die Gegenüberstellung zu museumswürdiger Kunst würden. “Diese Objekte haben eine ungeheure Kraft – das ist ganz, ganz große Kunst.” Wichtig sei ihr deshalb gewesen, die Stammeskunst nicht nur in Konfrontation zu zeigen, sondern ihr auch eigene Räume zu widmen. Jedes der Objekte ist oder war einmal Teil der Sammlung Leopold. Erwin Melchardt hatte diesen Teil des Bestands erst kürzlich wissenschaftlich aufgearbeitet – in der Ausstellung werden die Werke genau verortet und die entsprechenden Kulte erläutert.

Die Anonymität der afrikanischen und ozeanischen Künstler und die Prominenz jener Namen, die ihre Begegnung mit ihnen so intensiv verarbeitet haben – Pablo Picasso, Max Ernst und Fernand Leger, Pechstein, Brancusi und Modigliani – betont auch ein weiteres wichtiges Resümee der Ausstellung: “Die Moderne hatte einen kolonialistischen Hintergrund”, so Ristic. Die Künstler interessierten sich wenig für die tatsächlichen Kontexte der Kunstobjekte. Sie schluckten und interpretierten die afrikanische oder ozeanische Ausdrucksform als Zutat für ihre Arbeit, pickten sich formale oder mythische oder romantische Aspekte heraus.

Und so ist die Geschichte der europäischen Moderne und der Kunst ihrer Kolonien nicht nur eine der Faszination, sondern auch eine Geschichte der Missverständnisse. Thematisiert hat man das in der Ausstellung durch zeitgenössische künstlerische Prominenz: Kader Attia wurde eingeladen, neue Werke beizusteuern, die eine postkoloniale Perspektive einnehmen. Eine Videoinstallation mit Gesprächen über die zahlreichen Widersprüche in der afrikanischen Vergangenheit und Gegenwart, sowie eine beeindruckende Skulpturengruppe mit spiegelnden Masken sind das Ergebnis.

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