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Georg Dekas

31.08.2016

Erdbebensicher: Das gute alte Fachwerkhaus neu entdeckt

Bild: Facebook/Rettungshunde Pustertal

Nach dem Erdbeben in Mittelitalien geht noch vor dem Begräbnis der Opfer der Streit um Schuld, Versäumnisse und falscher Bauweise los. Dabei erinnert man sich in Südtitalien daran, woran man gemeinsam mit Institut für Holzbauweise in Sankt Michael an der Etsch forscht. In Zusammenarbeit mit der Universität von Calabrien haben die Welschtiroler das Prinzip des nordischen Fachwerkbaus angewandt, um Häuser erdbebensicher zu machen.

Neu ist das nicht. Der spanische Baumeister Francisco La Vega hat in Neapel nach dem verheerenden Erdbeben von 1783 dem bourbonischen König vorgeschlagen, es mit Holzgerüsten zwischen dem Mauerwerk zu versuchen. Nichts anderes als ein Fachwerkhaus. Eine der ältesten europäischen Bauweisen, die vor allem in Deutschland (soweit nicht zerbombt) und in der Schweiz das Altstadtbild prägt. Das neapolitanische Königshaus der Bourbonen hat dem Ingenieur La Vega dann den Auftrag gegeben, in Süditalien neue Regierungsgebäude in dieser Technik zu bauen.

Siehe da, als es 1908 wieder ein schreckliches Erdbeben in Kalabrien gab, haben genau diese von La Vega gebauten Palazzi das Mörderbeben einigermaßen heil überstanden. So zum Beispiel der Bischofssitz von Milet. Von diesem Gebäude nehmen die Sankt Michaeler Holzforscher Teile her, um sie unter Laborbedingungen auf Erdbebensicherheit zu testen. Francisco La Vega hat die Idee des Fachwerks als Elastik-Geber für Mauern bei Erschütterungen wahrscheinlich nicht einmal aus seinem Heimatland mitgebracht. Francisco La Vega ist nämlich der erste Ausgräber von Pompeji und Herculanum mit Regierungsauftrag. Er hatte nebenbei auch die Idee, diese antiken Stätten, die vom Vesuv im Jahr 79 verschüttet worden waren, touristischen Besuchern zugänglich zu machen.

Bei seinen Grabungs- und Rekonstruktionsarbeiten hat La Vega gesehen, dass es in den beiden Städten damals schon Fachwerkbauten gab. Das heißt ein auf Stein aufgesetztes Holzgerüst, in das Ziegel, Lehm oder Steine für das Mauerwerk eingefügt waren. Es muss mit einer Entdeckung oder einer Eingebung während diese Grabungsarbeiten zu tun gehabt haben, dass La Vega auf die Idee kam, dass einmal die Trennung vom Boden und zweitens die federnde Eigenschaft des Baustoffes Holz gerade bei Erdbeben ein Haus viel sicherer machen. Die Erfindung von La Vega hat schon damals Erfolg gehabt. „Auf der Insel Lefkada entschloss man sich im 18. Jahrhundert aufgrund der Erdbebengefahr zur Einführung des Fachwerkbaus“, heißt es in Wikipedia. Diese Häuser bauen die Griechen heute neu nach, denn „gemessen an den Kosten einer konventionellen erdbebensicheren Konstruktion, schneidet das Fachwerkhaus besser ab.“ Nun bringt der kalabrische Architekt Nicola Ruggieri diesen Vorschlag mit Verweis auf die Bourbonen und die Versuche der Michaeler in die Öffentlichkeit. Er schlägt vor, heutzutage das Holz des Zwischengerüstes durch Stahl oder Aluminium zu ersetzen. Da wird er sich irren, der gute Mann. Nicht umsonst haben die deutschen Zimmerleute ihre Fachwerkhäuser ohne einen einzigen Nagel gebaut. Aber wer weiß, vielleicht lernt diese Kunst wieder jemand in Italien. Der Spanier La Vega hat vor über 200 Jahren gezeigt, wie man herrschaftliches Äußeres mit den Tugenden des Holzes verbinden kann und dazu noch Leben und Besitz rettet.

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