von apa 24.07.2016 14:15 Uhr

Grasser-Anklage – Brisantes Mammutverfahren mit 166 Zeugen

Nachdem die prominenteren Namen unter den 16 Beschuldigten im Verfahren um Korruptionsverdacht bei Bundeswohnungsprivatisierung und Linzer Terminal Tower bekannt wurden, hat nun das “profil” einige der 166 Zeugen in dem Mammutverfahren genannt. Justizminister Wolfgang Brandstettter (ÖVP) ist nicht darunter, kommt aber als früherer Verteidiger eines Angeklagten in der Anklage vor.

APA

Neben Grasser – nicht rechtskräftig – angeklagt sind die Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger, der Immobilienunternehmer und Ex-Buwog-Aufsichtsrat Ernst Karl Plech, Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics, der Ex-Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank (RLB) Oberösterreich, Ludwig Scharinger, RLB-Vorstandsdirektor Georg Starzer, aktive und ehemalige Führungskräfte des Baukonzerns Porr, ein Salzburger Jurist, ein Schweizer Vermögensberater und Michael Ramprecht, ehemals Kabinettsmitarbeiter von Grasser.

In der Anklage werden 166 Zeugen beantragt, darunter Ex-Finanzminister und Industrieller Hannes Androsch, der Banker Gerhard Randa (einst Bank Austria, heute Sberbank), Immofinanz-Ex-Aufsichtsrat Guido Schmidt-Chiari, Banker Julius Meinl, der frühere Linzer Bürgermeister Franz Dobusch, dessen Nachfolger Klaus Luger (beide SPÖ), Ex-Immofinanz-Chef Eduard Zehetner, Ex-Wienerberger-Chef und Ex-Immofinanz-Aufsichtsrat Erhard Schaschl, Ex-ÖVP-Finanzstaatssekretär Alfred Finz sowie Ex-ÖIAG-Vorstand Peter Michaelis.

Nicht auf der Zeugenliste steht demnach Grassers Schwiegermutter Marina Giori-Lhota. Dagegen sollte der Wiener Rechtsanwalt Johannes Patzak geladen werden, der allerdings vor einem Jahr verstarb, so das Magazin.

Belastend seien die Aussagen von Willibald Berner, ehemals Kabinettschef von Ex-FPÖ-Infrastrukturminister Michael Schmid. Berner hatte bei einer Einvernahme von einem Treffen mit Hochegger im Jahr 2000 berichtet, in dessen Verlauf Hochegger das Angebot gemacht haben soll, gemeinsam an diversen Privatisierungsprojekten zu profitieren. Berner lehnte nach eigener Darstellung ab. Hochegger bestreitet das Angebot.

Geld aus der geheimen Buwog-Provision der Immofinanz floss nach Liechtenstein und von dort auch zu Grasser, so die Anklage. Auffallend sei der zeitliche Zusammenhang zwischen Barabhebungen in Liechtenstein und Einzahlungen auf Grassers österreichische Konten durch KHG selbst. “Es zeigt sich …, dass nach den erfolgten Barbehebungen vom Konto, 400.815 im Abstand von bloß einigen Tagen Einzahlungen auf den österreichischen Privatkonten Mag. Karl-Heinz Grassers erfolgten”, heißt es laut “profil” in der Anklage. Weiters wurden auf dem dem Konto 400.815 zugeordneten Wertpapierdepot zwischen 2006 und 2008 Aktien mehrerer börsennotierter Gesellschaften ge- und wieder verkauft, zu welchen Grasser ein berufliches Naheverhältnis hatte: Magna, C-Quadrat, Meinl International Power.

Brisant ist auch die Darstellung der Vorgänge im Herbst 2009, als erste Hinweise über die geheime Millionenprovision beim Buwog-Deal öffentlich wurden. Damals sollen Grasser und seine Vertrauten begonnen haben Spuren zu verwischen. An einer Sitzung im Oktober 2009 nahm Wolfgang Brandstetter teil, damals Rechtsberater von Karl Petrikovics, heute Justizminister. Dazu heißt es laut “profil” in der Anklageschrift: “Am 5.10.2009 kam es schließlich … zu einer rund vierstündigen Besprechung, an der Mag. Karl-Heinz Grasser, Ing. Walter Meischberger, KR Ernst Plech, Dr. Wolfgang Brandstetter und der beschuldigte Jurist selbst teilnahmen … Dabei wurde vor allem besprochen, wie man die geleisteten Zahlungen im Rahmen des Verkaufs der Bundeswohnbaugesellschaften anders darstellen bzw. gar rechtfertigen könnte. Klar war aufgrund der Selbstanzeige nur, dass Ing. Walter Meischberger auch die Verantwortung für die Anteile von Mag. Karl-Heinz Grasser und KR Ernst Plech übernehmen musste … . Dr. Wolfgang Brandstetter nahm insbesondere zu strafrechtlichen Auslegungsfragen Stellung und sollte das Aussageverhalten von MMag. Dr. Karl Petrikovics dahingehend abstimmen, dass dieser Ing. Walter Meischberger nicht kennen würde und es zwischen beiden keine Kontakte gegeben hätte. … In der Conclusio kamen die Besprechungsteilnehmer überein, dass man insbesondere die geringe Differenz der Bietsummen beim Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften so darstellen sollte, dass sich wohl ein Mitarbeiter, beim Bier verredet’ hätte.”

Der Justizminister ist nicht als Zeuge vorgesehen. Laut einem “News”-Bericht vom Juli 2014 wurde Brandstetter selbst im Rahmen der Ermittlungen 2010 als Zeuge einvernommen. Er entschlug sich jedoch der Aussage mit Verweis auf seine damalige Tätigkeit als Verteidiger von Petrikovics.

Justizminister Brandstetter ist außerdem Autor der jüngsten Strafrechtsreform, welche sich im Verfahren auswirken könnte. Im Fall Terminal Tower führt die Reform dazu, dass statt zehn nur noch drei Jahre Haft drohen. Auch eine Diversion ist theoretisch möglich, berichtet der “Standard” (Wochenendausgabe). Bei einer allfälligen Verurteilung wegen Untreue wären bis Ende 2015 noch zehn Jahre Freiheitsentzug möglich gewesen. Die Reform hat die Wertgrenzen bei Untreue erhöht bzw. den Strafrahmen entsprechend gesenkt.

Beim Terminal Tower behauptet die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einen Schaden von 200.000 Euro. Bis Jahresende war bei Untreue noch ein Überschreiten der Grenze von 50.000 Euro Voraussetzung für die Höchststrafe von maximal zehn Jahren Haft. Seit heuer liegt diese Schwelle bei 300.000 Euro. Würden Angeklagte nur wegen des Terminal Tower-Falls schuldig gesprochen, würde sich die reduzierte Haftandrohung auswirken. Sie hätten “wegen der Novelle Glück gehabt”, zitiert die Zeitung den Sprecher der WKStA, Konrad Kmetic.

Durch die Reform wurde auch der Tatausgleich ausgedehnt, bei dem Geldbußen oder Dienst an der Gemeinschaft anstelle einer Haftstrafe treten. Diese “Diversion” kann bei einem Strafausmaß von höchstens fünf Jahren in Anspruch genommen werden. Allerdings gibt es auch Ausschlussgründe für die Diversion, beispielsweise jenen der Generalprävention oder der schweren Schuld. Oberstaatsanwalt Kmetic hat im aktuellen Fall “Zweifel”, dass ein Tatausgleich möglich wäre.

Während die Anklage von den ermittelnden Staatsanwälten Norbert Denk und Alexander Marchart vertreten wird, ist noch unsicher wer als Richter den Prozess führen wird. Laut der “Presse” (Samstagsausgabe) hat Richterin Marion Rumpl die Anklage den Beschuldigten zugestellt, sie wird auch eventuelle Einsprüche dem Oberlandesgericht Wien vorlegen. Den Prozess selber könnte aber ein anderer Richter führen, weil geprüft werde, ob bzw. bei wem noch andere Verfahren gegen die Beschuldigten offen sind, um diese zusammenzuführen. Eventuell könnte so Richterin Marion Hohenecker den Fall übernehmen.

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