von fe 24.06.2016 16:28 Uhr

Brexit: So denkt Tirol

Großbritannien wird aus der EU austreten. Am Freitagvormittag wurde das Endergebnis der Volksbefragung bekanntgegeben. Reaktionen aus Tirol:

Schockiert zeigt sich LH Günther Platter vom Ausgang des Brexit-Votums in Großbritannien.

Wenn das nicht der Weckruf für Europa ist, was dann. Die Europäische Union muss sich dringend ändern – der Ruf nach Reformen kann nicht lauter sein,

richtet LH Platter einen warnenden Appell an Brüssel.

Was als idealer Staatenbund für den sozialen und wirtschaftlichen Frieden begann, wird immer mehr zu einem undurchsichtigen, schwerfälligen Bürokratenapparat. Es ist kein Wunder, wenn sich die Bevölkerung der einzelnen europäischen Länder von der Idee der Europäischen Union abwende.

Er sei nach wie vor ein grundsätzlicher Befürworter dieses ursprünglichen Friedensprojekts und deshalb bedauere er diese Entwicklung umso mehr.

Süd-Tiroler Freiheit: „Schottland könnte wieder nach Unabhängigkeit streben“

Als die Schotten vor einigen Jahren über ihre Unabhängigkeit von Großbritannien abstimmten, wurden sie von EU-Vertreten noch mit einem Rauswurf aus der EU bedroht,

schreibt die Süd-Tiroler Freiheit,

nun stellt sich raus, dass sie beim Referendum die getreuesten EU-Befürworter waren. Mit dem Brexit wird in Schottland der Ruf nach Unabhängigkeit jetzt wieder laut werden und damit auch den anderen Selbstbestimmungsbestrebungen in Europa Aufwind geben.

Der Austritt Großbritanniens aus der EU könne für die Bewegung somit auch eine Chance für Europa sein, die fehlgeleitete Politik der letzten Jahre zu beenden und ein neues und besseres Europa anzustreben: Ein echtes Europa der selbstbestimmten Völker und Regionen.

RfW Tirol: „Immense Veränderungen“

Die Entscheidung im Referendum über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union ist von enormer Bedeutung. Auch die Landespolitik muss die Zeichen der Zeit erkennen,

meint RfW Tirol Obmann Winfried Vescoli.

Sowohl wirtschaftlich als auch politisch wird dieses Ergebnis immense Veränderungen mit sich bringen,

ist sich der Obmann der Freiheitlichen Wirtschaft Tirol (RFW) sicher.

Aber nicht nur die europäische Politik muss daraus ihre Lehren ziehen, auch die Landespolitik muss die Zeichen der Zeit erkennen.

Südtiroler Schützenbund: Südtirol hat wie Schottland keinen Einfluss

Nun ist dieses Land, in dem man sich ganz klar zur EU bekannt hat, dazu gezwungen mit dem Rest Großbritanniens, aus der EU auszutreten

so der Landeskommandant der Südtiroler Schützen, Elmar Thaler. Er erinnert daran, dass dieses Szenario bereits im damaligen Wahlkampf eine der größten Befürchtungen war.

Nun ist eingetreten, was viele befürchtet haben – das Beispiel Schottland zeigt einmal mehr, was geschieht, wenn man als Land mit einem Staat verbandelt ist, in dem man nichts zu sagen hat.

Dieser Umstand sollte auch in Südtirol Anlass zum Nachdenken sein.

Welche Entscheidungen in Italien auch immer getroffen werden – Südtirol hat so wie Schottland keinen Einfluss darauf – aufgrund seiner besonderen Situation oft aber diametral entgegengesetzte Bedürfnisse,

so Thaler.

Deshalb könne für den Schützenbund eine glückliche Zukunft für Südtirol nur eine Zukunft sein, in der die Geschicke des Landes von Italien losgelöst sind.

Freiheitliche: „Die alte EU ist Geschichte“

Die alte EU ist Geschichte, die EU der Bürokratisierung, der nicht vorhandenen Bürgernähe und der mangelnden Demokratie,

so Obmann Blaas und Generalsekretär Auer von den Freiheitlichen.

Die gescheiterte Politik des Brüssler-Zentralismus wurde in Großbritannien abgewählt. Die EU, eine Meisterin beim Erstellen von Normen, Vorschriften und Regulierungen, hat eine dringende Wende notwendig. In der großen Weltpolitik der EU gab es letztlich ein Scheitern nach dem anderen. Eine weitere Zukunft wird diese fehlgeleitete Politik der Union nun nicht mehr erleben.

BürgerUnion: „Die Bremser sind endlich weg“

Die Bremser-Briten sind endlich weg aus der EU und könnten damit ungewollt zum Motor Kontinental-Europas werden,

freut sich der Landtagsabgeordnete Andreas Pöder über das Brexit-Ergebnis.

So klein Südtirol als Rädchen in dieser EU ist, so groß ist jetzt auch für die Bürger der Europaregion Tirol die Chance, dass sich endlich etwas bewegt in der EU in Richtung Europa der Völker und Regionen. Bislang haben die Briten EU-Demokratisierungsprozesse und Regionalisierung auf Kontinental-Europa blockiert. Die Einigung Europas war für die Briten immer ein Greuel. Jetzt sollte die EU die Chance für ein Europa der Bürger nutzen und auch die Regionen stärken.

Grüne: „Weltoffenes Europa wichtig“

Für Südtirol ist ein erneuertes und weltoffenes Europa lebenswichtig, so die Südtiroler Grünen.

Der spürbare Abbau der Grenzen, aber auch sein Wohlstand, zumal im ländlichen Raum, verdankt sich wesentlich dem Einigungsprozess. Sie wiegen mehr als die Umweltbelastung, zumal durch den entfesselten Transit, mehr als die bürokratische Überregulierung.

Unser Land kann sich ein Europa der Sonderwege und der Abschließung nicht wünschen: das sog. „Europa der Völker“ ist nur begrenzt Ausdruck von Bürgernähe, sondern oft nur eine neue Form scharfer Abgrenzung von den „Anderen“. Wenn in der schmerzlichen Rosskur des „Brexit“ ein Sinn liegt, so nur in einer gründlichen Kurskorrektur Europas hin zu einem demokratischen, sozialen und weltoffenen Projekt des 21. Jahrhunderts. Dies ist der einzige Weg, den der Brexit aber nicht fördert, sondern länger und schwieriger macht.

Wirtschaftskammer: „Auswirkungen auf Tiroler Exporte“

Eine Entscheidung, die nicht nur die weitere Entwicklung der EU beeinflusst und dazu beiträgt, dass aus Fehlern gelernt wird und die Dinge künftig besser, schneller und europäischer angegangen und umgesetzt werden. Auch die Tiroler Wirtschaft ist unmittelbar betroffen,

sagt der Präsident der Wirtschaftskammer Tirol, Jürgen Bodenseer.

Fest steht, dass der so genannte Brexit negative Auswirkungen auf die Tiroler Exportwirtschaft haben wird. Aktuell ist Großbritannien mit einem Volumen von rund 300 Millionen Euro der siebtgrößte Exportmarkt für die Tiroler Wirtschaft. Diese starke Position ist in Gefahr. Kurz- und mittelfristig ist zu erwarten, dass eine deutliche Abwertung des Britischen Pfunds im Bereich von bis zu 20 Prozent die Exporte nach UK zurückgehen lässt – ähnlich, wie es durch die Abwertung des Rubels bei den Exporten nach Russland der Fall war. Und auf längere Sicht wird die Einführung von Grenzkontrollen Tiroler Exporte nach Großbritannien verteuern. Geschäfte mit der Insel werden dadurch nachhaltig erschwert werden,

wirft Bodenseer einen Blick in die Zukunft.

Südtiroler Heimatbund: „Souverän hat bei einer Volksabstimmung immer Recht“

Als bedauerlich beschreibt der Südtiroler Heimatbund den Ausgang des Referendums in Großbritannien über den Verbleib des Landes in der Europäischen Union. Aber als Demokrat müsse man immer den Willen des Souveräns akzeptieren, egal ob letzterer für oder gegen eine Sache ist. Das hat auch das Flughafen-Referendum in Südtirol gezeigt, so Obmann Roland Lang.

Die Folgen des Austritts des Vereinigten Königreichs können wahrscheinlich einen fatalen Dominoeffekt für die restliche Europäische Union und auf diese Weise eine Signalwirkung für alle EU-skeptischen Parteien und Bewegungen haben,

meint der Heimatbund.

Interessant wird der Fall Schottland sein. Die Schotten haben sich mehrheitlich für den Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen. Wird man ihnen erneut das Recht auf Selbstbestimmung gewähren oder werden sie gezwungenermaßen mit dem Rest des Königreichs den neuen Weg beschreiten?,

so Obmann Roland Lang.

SPÖ zu Brexit: „Brauchen mehr Vernunft und weniger Populismus“

Der baldige Ausstieg Großbritanniens aus der EU ist eine demokratische Entscheidung und deshalb zu respektieren. Dennoch sind mit diesem Votum viele negative Folgen verbunden. Die Europäische Union wird durch den Brexit im internationalen Gefüge an Stärke verlieren und auch die Wirtschaft wird unter dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs leiden. Nun gilt es die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen und mit Hochdruck daran zu arbeiten, den Bürgerinnen und Bürgern die Wichtigkeit Europas zu verdeutlichen,

kommentiert die SPÖ-Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz die Brexit-Entscheidung Großbritanniens.

Sie weist auch Behauptungen von Tirols Landeshauptmann Günther Platter zurück, wonach die EU „undurchsichtig, schwerfällig und ein Bürokratenapparat“ sei. Graswander-Hainz:

Ja, wir müssen noch intensiver in der EU zusammenarbeiten, um die vor uns liegenden Herausforderungen zu bewältigen. Hier sind vor allem die Mitgliedstaaten gefordert, mit mehr Gemeinsamkeit und weniger nationalen Egoismen zu agieren. Die EU ist im Übrigen transparenter als viele nationale oder regionale politische Organisationen und kommt mit Verwaltungskosten von weniger als 0,06 Prozent des EU-BIP aus.

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