Redaktion UT24

06.04.2016

Kaufhausprojekt: Ein kritischer Beitrag

Der Publizist Günther Rauch befasst sich in diesem kritischen Beitrag mit dem Ausgang der Volksbefragung zum Kaufhausprojekt des Investors René Benko und den Widersprüchen der Kaufhaus-Gegner. Rauch ist Autor der vom Kaufleuteverband 2001 herausgegebenen und bei Athesia gedruckten, längst vergriffenen Broschüre mit dem Titel „Einkauf auf der grünen Wiese – Gefahr für den Südtiroler Einzelhandel“.

Fotomontage UT24 - zukunft-bozen/privat

Ein Beitrag von Günther Rauch

Die Bozner haben sich für das Projekt „Kaufhaus Bozen“ des Tiroler Immobilientycoon René Benko ausgesprochen. Das in einer Stadt an der sich 2015 gerade noch knapp mehr als ein Drittel der Wähler an der Bürgermeisterstichwahl beteiligte. So ist es, wenn man seit Jahren die Politik aus ihrer Verantwortung entlastet und die direkte Demokratie zum politischen und partizipatorischen Postulat erhebt.

Votum gegen die Verlotterung

Es war ein klares Votum gegen die Verlotterung und den Stillstand. Der Senior eines Lauben-Bekleidungshauses hatte sich vor gut 18 Jahren, im Auftrag einer Bozner Kaufleute-Gesellschaft, für ein Einkaufszentrum am Bahnhofsareal die Schuhsohlen abgelaufen. Außer Spesen (und Ärger) nichts gewesen.

Der Großinvestor brachte den verfahrenen Karren in Bewegung. Ihn dann in der Grenzprovinz des Musterlandes des Steuerbetrugs und des Regierunsgfiaksos mit der Korruption in Verbindung zu bringen, während er in den Wohnvierteln – aus buntesten Gründen – beinahe schon zum „Rächer vom Sherwood“ gefeiert wurde, war ein Eigentor sondergleichen.

Verwaltungsjurist machte Sache nicht besser

Die Bestellung eines Verwaltungsjuristen als „interethnischen“ Bürgermeisterkandidaten, machte die Sache nicht besser. Dabei musste man ihm noch Recht geben, wenn er den Artikel 55/ quinquies des Raumordnungsgesetzes beanstandete.

Allerdings hätte er das seinem politischen Sponsor, dem pro tempore freigestellten Direktor des Kaufleuteverbandes und derzeitigen SVP-Sprecher im Landtag und Stadtobmann von Bozen, sagen müssen.

Der hat wenige Wochen vor dem Gesetzeserlass in den „Dolomiten“ vom 7. März 2013 erklärt: „…wir als [Kaufleute-] Verband haben uns seit jeher für ein Einkaufszentrum in Stadtnähe ausgesprochen.”Benko habe in Innsbruck gezeigt, dass „derartige Projekte Erfolg haben“ könnten und “die Handelslandschaft nicht geschwächt“ werde. Und weiter: „Das Projekt enthält eine Reihe von Maßnahmen, die eine enorme Aufwertung für das Viertel darstellen.“

Fehler nicht wiederholen

Na also! Was die Kaufleutevertreter und das Land noch vor drei Jahren für gut hielten, war jetzt auch für die Mehrheit der Wahlbeteiligten nicht schlecht. Weder die Medienpropaganda, noch die heile Welt, sondern die Kraft des Faktischen hat gewonnen.

Die Signa-Holding wäre nun gut beraten durch klare Verträge die Fehler vieler Handelsketten und Laubenshops nicht zu wiederholten. Um nur einige zu nennen: die Sonntagsöffnungen, die Einstellung von billigem, schlecht ausgebildeten, ortsunkundigen und vornehmlich einsprachigen Personal oder die Unklarheiten bei Steuersitzfragen.

Ansonsten bröckelt die Glaubwürdigkeit

Zum Schluss: die Handelstreibenden können sich glücklich wähnen, dass das Land Südtirol immer noch ein gesundes Wirtschaftsgefüge hat und die Nahversorgung im Vergleich zu den benachbarten Regionen gut entwickelt ist. Das ist ihr Verdienst. Dieses wertvolle Erbe einer, wenn auch stark amputierten, eigenständigen und dezentralen Südtiroler Handelspolitik sollte man pflegen und ausbauen. Denn man kann nicht einerseits das Verbot des Einzelhandels auf der „grünen Wiese“ und in den Gewerbezonen bewahren und anderseits die Entwicklung des Einzelhandels in den historisch gewachsenen Zentren verhindern. Besonders dann nicht, wenn man – wie auch immer – ein Kaufhaus-Projekt gutgeheißen hat. Ansonsten bröckelt die Glaubwürdigkeit.

rauch_guenther
Günther Rauch

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