Rupert Gietl

28.03.2016

Das Portal

In Süd-Tirol werden öffentliche Vergaben fast ausschließlich über das Informationssystem öffentliche Verträge (ISOV) abgewickelt. Fast 12.000 Firmen sind registriert, wer vom Land, einer Gemeinde, einer Bezirksgemeinschaft, einem Kindergarten,… einen Auftrag erhalten will, kommt an der digitalen Schleuse kaum vorbei. Nur widerwillig haben sich die Unternehmen an den bürokratischen Koloss gewöhnt. Bei der Anmeldung hat sich so mancher Selbstständige die Haare gerauft. Dabei bietet das Portal theoretisch die Möglichkeit, Einsicht in alle Ausgaben der öffentlichen Hand zu nehmen. Doch einige Fragezeichen bleiben.

Das Portal oder offiziell "Informationssystem Öffentliche Verträge".

Die Internet-Adresse ist vielsagend: ausschreibungen-suedtirol.it oder auch bandi-altoadige.it.

Es wird im Volksmund bereits “das Portal” genannt. Auf Beamten-Deutsch nennt es sich “Informationssystem Öffentliche Verträge”. Gemeint ist jene Plattform, über die alle Aufträge für Dienstleitungen, Lieferungen und Arbeiten von Land, Gemeinden oder sonstigen Verwaltungskörperschaften abgewickelt werden.

Brüssel

Seine Entstehung geht auf EU-Richtlinien zur Transparenz bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zurück.

Ähnliche Systeme gibt es auch auf gesamtstaatlicher oder lokaler Ebene, so z.B. auch im benachbarten Welschtirol.

Zuständig ist auf Seiten des Landes die AOV (Agentur für die Verfahren und die Aufsicht im Bereich öffentliche Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträge), geleitet von Thomas Mathà.

Seit 2013 ist es notwendig, in das Portal eingetragen zu sein, wenn man zu einer öffentlichen Ausschreibung eingeladen werden möchte.

Schlangen vor der Handelskammer

Viele Unternehmen waren damals auf den Wechsel ins Portal kaum vorbereitet. Die Anmeldung gestaltet sich sehr kompliziert. Eine der gefordeten Voraussetzungen ist beispielsweise die digitale Unterschrift, was anfangs zu Schlangen vor der Handelskammer in Bozen geführt hat.

Wer es schließlich geschafft hatte und eine Ausschreibung gewinnen konnte, dem flatterte Monate später eine etwas kryptisch formulierte Rechnung einer Firma aus Mailand ins Haus.

In jenen Monaten lernten die Süd-Tiroler Unternehmer einen neuen Namen kennen und fürchten: i-Faber.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit war im Herbst 2012 der Betrieb des Portals in Konzession ausgeschrieben und Anfang 2013 an einen privaten Anbieter vergeben worden.

Zuschlagssumme: 4.633.688,00 €. Dazu kamen noch einmal 1.029.000,00 € für Weiterentwicklung und Instandhaltung.

i-Faber

Die Firma i-Faber gehört zur Unicredit Gruppe, weitere Gesellschafter sind der international tätige Baukonzern Salini Impregilo, das weltweit führende Softwareunternehmen für Datenbanklösungen Oracle und das italienische Mineralölunternehmen ERG.

Das geht aus einer Landtagsanfrage des Abgeordneten Paul Köllensperger von der 5-Sterne-Bewegung hervor.

Für diese stolze Summe hat die Landesverwaltung aber nicht das Portal an sich erworben:

Die Module für die elektronische Beschaffung (e-procurement) und deren Verwaltung gehören weiterhin i-Faber.

Die AOV besitzt dagegen die Module “Jahresprogramm, Formblätter, Beobachtungsstelle, Elektronischer Markt und Katalog”.

Gebühren

Für die Südtiroler Unternehmer wurde i-Faber in der Zwischenzeit zu einer teuren Angelegenheit.

Entsprechend einer vereinbarten Staffelung zahlen diese eine Gebühr an das Unternehmen:

für Vergaben von 10.000 € bis 200.000 € sind es 0,4% der Auftragssumme,
für Vergaben von 200.000 € bis 2.000.000 € 0,35%
für Vergaben von 2.000.000 € bis 5.000.000 € 0,31%
für Vergaben über 5.000.000 € sind es pauschal 24.000 €.

Dies bedeutet beispielsweise, dass bei jeder Ausschreibung von einer Million Euro  3.500 € an i-Faber fließen.

In Welschtirol dagegen wird diese Gebühr den Anbiertern nicht angelastet.

Verhältnismäßigkeit

Viele Unternehmer haben offenbar das Kleingedruckte zunächst nicht gelesen und die Rechnungen von i-Faber im Papierkorb verschwinden lassen.

Deshalb wurde rund ein Jahr nach Inbetriebnahme des Portals ein automatisch generiertes Preisangebot eingeführt, in dem der Bieter erklären muss:

davon Kenntnis zu haben und anzunehmen, dass dem Systembetreiber für die Nutzung des elektronischen Ankaufsystems der Autonomen Provinz Bozen die Kosten in dem (…) festgelegtem Maße zu entrichten sind.

Eine rechtliche Grundlage für die Einhebung dieser Gebühr gibt es scheinbar nicht, die Wirtschaftsteilnehmer sind gezwungen, sie einfach zu akzeptieren.

Besonders die Verhältnismäßigkeit der Kosten scheint fraglich.

Während es sich nämlich bei Beurkundungsgebühren und ANAC-Abgaben um gesetzlich vorgesehene Spesen handelt, die somit im Einklang mit dem Art. 23 der Verfassung stehen, ist der Fall bei der verpflichtenden Inanspruchnahme einer Dienstleistung durch einen von der öffentlichen Verwaltung ausgewählten Systembetreiber etwas anders.

Zwei verdienen

Paul Köllensperger hat sich genau informiert und von der Landesverwaltung erfahren, dass es sich bei den rund 4,6 Millionen Euro um einen Höchstwert handelt, den i-Faber maximal an Gebühren im Zeitraum von drei Jahren einnehmen darf.

Diese Schwelle wird voraussichtlich schon vor Ende des Vertrages erreicht werden. Die nachher eingehenden Gelder fließen an die AOV.

Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass die AOV bereits im laufenden Betrieb am Portal verdient. Sie kassiert allerdings nicht von den Auftragnehmern, sondern von den Auftraggebern.

Alle zahlen

Schon im Jahre 2012 wurde den Gemeinden vom Gemeindeverband mitgeteilt, dass die damals zu gründende Agentur für ihre Dienstleistungen ebenfalls bezahlt werden muss. Es handelt sich um 450.000 Euro pro Jahr. (Mitteilung Nr. 68/2012)

Diese setzen sich für jede Gemeinde aus einem Sockel von 2.000 Euro und einem Restbetrag entsprechend der Einwohnerzahl zusammen. Der Einfachheit halber wird dieser Betrag von der Gemeindefinanzierung abgezogen.

Gemeinden bis 1.000 Einwohner: 2.483,16 €
Gemeinden1.001 bis 3.000 Einwohner: 3.158,72 €
Gemeinden3.001 bis 10.000 Einwohner: 4.316,86 €
Gemeinden über 10.000 Einwohner: 6.826,06 €
Bezirksgemeinschaften: 4.316,86 €

Der Service, den die Gemeinden und Bezirksgemeinschaften dafür erhielten, ließ allerdings zu wünschen übrig.

So wurde beispielsweise Anfang 2015 das Portal komplett lahmgelegt.

Zusammenbruch

Die Vorgeschichte: Innerhalb 31.01. jedes Jahres müssen alle öffentlichen Körperschaften laut Art. 1 Abs 32 des Gesetzes Nr. 190/12 (Antikorruptionsgesetz) alle Zuschläge, die sie im letzten Jahr erteilt haben, unter Angabe verschiedener Informationen eingeben bzw. bei mehrjährigen Verpflichtungen aktualisieren.

Da nun in den Wochen vorher alle gleichzeitig ihre Daten eingaben, war das Landesportal vollkommen überlastet und der Verpflichtung konnte nicht pünktlich nachgekommen werden.

Manche Gemeinden waren gezwungen, auf ein wesentlich einfacher zu bedienendes Programm des Gemeindenverbandes ausweichen. Vergaben, die sie über das Landesportal abgewickelt hatten, mussten nochmals extra eingegeben werden.

Unseres Wissens wurden bisher keine Strafen von der staatlichen Aufsichtsbehörde ANAC ausgestellt.

Schwächen

Der Landtagsabgeordnete Paul Köllensperger kommt selber aus dem IT-Sektor und kennt die Schwächen und Fehler solcher Systeme. Dazu kommen noch einige Fragezeichen grundsätzlicher Art:

Das Portal soll mittelfristig in den Besitz des Landes übergehen, aber nicht durch eine lokale Neuentwicklung sondern durch Ankauf der Software von i-Faber.

Ist die Benutzungslizenz des iFaber Portals wirklich dieses ganze Geld wert?

fragt sich der Abgeordnete der 5-Sterne Bewegung.

Aus der Sicht des Benutzers wohl kaum. Um eine definitive Antwort zu geben, müßte man aber hinter die Kulissen der Benutzeroberfläche blicken dürfen.

Nicht viele Südtiroler Unternehmen wären in der Lage, so ein Produkt zu liefern. Würden sich aber mehrere Anbieter zusammenschließen, könnte es klappen, ein Portal auf die Beine zu stellen, welches allen Sicherheitsansprüchen gerecht wird, so Paul Köllensperger.

Sicherheit

Denn zur Zeit weiß die Öffentlichkeit nicht über die Sicherheit des Portals Bescheid:

Es stellt sich z.B. die Frage, ob das System vor externen aber vor allem auch vor inneren Angriffen (der sog. böswillige Administrator) ausreichend geschützt ist, oder ob man auf diesem Wege Informationen über die eingegangenen Gebote zu laufenden Ausschreibungen von Konkurrenten erlangen könnte.

Sind die Daten (Angebote, Anbieter, Zeitpunkt der Einreichung) verschlüsselt in der Datenbank gespeichert, und wer hat das Entschlüsselungspasswort? Wer in Südtirol kann diese Fragen aktuell beantworten?

Zudem ist es unschön, dass eine der größten Baufirmen Italiens, die auch in Südtirol arbeitet, Teilhaber von i-Faber ist und somit prinzipiell Informationen zum technischen Aufbau des Portals haben könnte.

Dem Benutzer muss es zudem verdächtig erscheinen, dass bei einem Portal im Wert von über 5 Millionen Euro wichtige Menüpunkte wie Informationen zur Webseite, Credits oder Zugangsrechte nach fast drei Jahren Betrieb noch immer nur zu leeren Seiten führen.

Verpasste Gelegenheit

Offen bleibt nicht zuletzt auch die Frage, warum die Konzession für das Portal zusammen mit all jenen Zusatzservices ausgeschreiben wird (z.B. AVCpass, ital. Transparenzbestimmungen, usw), die es am Ende nur italienischen Firmen ermöglichen, ein Angebot zu legen.

Der Umstand ist bedauerlich: Auch in Deutschland gäbe es ausgezeichnete Firmen, welche ebenfalls e-Vergabe Systeme anbieten.

Wieviel Mühe sich i-Faber gemacht hat, der mehrsprachigen Realität unseres Landes Rechnung zu tragen, erkennt man schließlich beim erstmaligen Öffnen des Portals:

Tippt man www.ausschreibungen-suedtirol.it in die Adresszeile seines Browsers ein, gelangt man zur italienischen Version der Webseite.

Anfängerfehler oder einfach unwichtig?

Für 5,6 Millionen Euro können die Südtiroler Unternehmer und Gemeinden auf alle Fälle mehr erwarten.


Hier geht es zur Gegendarstellung der Firma i-Faber.

Hier geht es zur Antwort von Thomas Mathà.


 

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