von red 27.10.2015 13:30 Uhr

Wenn Reportagen Vorurteile bestätigen müssen …

Vor einigen Tagen wurde im Widum von St. Martin in Passeier ein Zuwanderer vorstellig. Er sei gekommen, weil Papst Franziskus über Twitter die Pfarreien angewiesen habe, Flüchtlinge aufzunehmen. Und deshalb stehe er nun da, um für seine Frau und seine Kinder, die grad nicht dabei sind, eben diese Unterkunft in Anspruch zu nehmen. Der Haken an der ganzen Sache: Der vermeintliche Zuwanderer war ein Journalist einer großen italienischen Zeitung. Und dieser wollte eigentlich nur die Bestätigung für eine Geschichte, die er sich wohl von vornherein so ausgedacht hatte. Nämlich dass die kirchlichen Einrichtungen in Italien, Österreich und der Schweiz gar keine Flüchtlinge aufnehmen.
Bildschirmfoto: l'Espresso

„Als ich die Türe öffnete, stand mit einem Abstand von drei Meter ein Herr mittleren Alters und kleiner Statur mit einem Bart vor mir. Bevor ich etwas sagen konnte, grüßte er mich mit einer tiefen Verneigung und mit „Salamaleikum“ erinnert sich der zuständige Pfarrer Pater Christoph Waldner OT.

„Mir ist die Geschichte gleich schon komisch vorgekommen“ meint Pater Christoph Waldner OT, Pfarrer in St. Martin. „Da klingelt jemand an meiner Tür, spricht mich darauf an, ob seine Familie nicht im Widum Unterschlupf finden könnte – und hat seine Familie, seine Kinder, mit denen er eigentlich nach Österreich will, gar nicht mit dabei.“ Auf meine Auskunft hin, dass eine Unterbringung im Widum nicht möglich sei, weil der größte Teil des Hauses bereits anderweitig vergeben ist, wollte er dann in der Kirche unterkommen. Und trotz des längeren Gesprächs hat sich der Mann, dessen Gehabe nicht unbedingt schlüssig war,  immer auffallend große Distanz gewahrt. Schon allein der Umstand, durch das Passeier über Timmelsjoch oder Jaufenpass nach Österreich zu wollen, war verwirrend.“

Unliebige Passage aus Film geschnitten

Ein Vorgehen, dass sich wie ein roter Faden durch die Reportage zieht. Ãœberall werden kirchliche Einrichtungen aufgesucht, im Film werden abweisende Kirchenmänner und Mitarbeiter gezeigt. Ein Umstand der Pater Christoph Waldner zu denken gibt. „Ich kann nicht für die anderen sprechen. Aber bei mir weiß ich, dass ich  dem Mann, der sich als „Balil“ ausgegeben hat, obwohl er Gatti heißt, darauf hingewiesen habe, dass das Widum bereits belegt sei“. Tatsächlich steht im Widum von St. Martin kein einziges Bett zur Verfügung. “Mir kommt sonderbar vor, dass genau diese Passage aus dem Film geschnitten wurde.“

Und es gibt noch weitere Gründe, weiß Pater Christoph Waldner zu berichten, die ihn abgehalten hat einem doch recht seltsam auftretenden Zuwanderer sein Haus zur Verfügung zu stellen. Zum einen bestünde nicht unmittelbar die Möglichkeit, einer Familie im bereits gut ausgelasteten Widum die nötige Privatsphäre zu gewährleisten, bzw. umgekehrt die restlichen Räume von der Unterkunft der Familie zu trennen. Zum anderen meint Waldner: “Es hat mich gewundert, dass ein freundlicher und höflicher Muslim zwar weiß, was der Papst twittert, aber nicht weiß, dass Kirchen Kulträume und nicht Wohnräume sind.”

Aufgenommene Einheimische zählen nicht

Hätte der Journalist gut recherchiert, dann wäre ihm vermutlich aufgefallen, dass Pater Christoph aktuell bereits einen Mann in seinem Widum untergebracht hat, der sich sonst keine Wohnung leisten kann. Da dieser allerdings ein Einheimischer ist und kein Zuwanderer hätte dieser allerdings so oder so nicht ins Konzept der Geschichte des „Aufdeckers” der italienischen Zeitung gepasst.

Pfarrer Christoph Waldner fragt sich nun: Bin ich unbarmherzig, wenn ich die Wahrheit sage bzw. bin ich unbarmherzig, wenn ich nicht jedes Mal eine Pressemitteilung herausgebe, wenn ich sozial tätig bin? Er ist überzeugt: Ich kann nur unbarmherzig erscheinen, wenn der Journalist das so haben will!

 

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