von red 11.02.2015 16:55 Uhr

Hofer: Südtiroler müssen öfter aus Komfortzone heraustreten

Ing. Norbert Hofer, der Dritte Nationalratspräsident Österreichs, ist der heurige Gedenkredner bei der Andreas-Hofer-Landesfeier in Meran. Aufgewachsen im burgenländischen Pinkafeld, war er als Systemingenieur bei der österreichischen Fluglinie Lauda Air beschäftigt. Nach der Nationalratswahl am 1. Oktober 2006 zog er als Abgeordneter in den Nationalrat ein. Er ist stellvertretender Klubobmann des Freiheitlichen Parlamentsklubs. Hofer hat seinen Hauptwohnsitz im Südburgenland, ist verheiratet und hat vier Kinder. In seiner Familie kam man immer wieder auf Andreas Hofer zu sprechen. Die vielzitierte direkte Verwandtschaft konnte bis heute trotz mehrerer Versuche nicht eindeutig nachgewiesen werden – es gibt aber mehrere Anhaltspunkte dazu. UT24 hat mit dem smarten Präsidenten, der gar nicht den typischen freiheitlichen Klischees entspricht, ein Interview geführt.
Hofer: Derzeitige Umfragewerte zeigen, dass es in der Realpolitik schwerer werden wird, unsere Anliegen für Südtirol zu ignorieren. Foto: © Parlamentsdirektion

UT24: Herr Präsident, vor einigen Wochen waren Südtiroler Schützen bei Ihnen zu Besuch, vor etwa einem Jahr die Bewegung der Süd-Tiroler Freiheit. Nun kommen Sie am 22. Februar nach Meran: Ist das der Beginn einer intensiveren Beziehung zum Südlichen Tiroler Landesteil?

Norbert Hofer: Für mich persönlich ja. Für Österreich ist es die Fortsetzung von intensiven Beziehungen. Im Zuge unserer Südtirol-Veranstaltung vor einigen Wochen habe ich beschlossen, von nun ab zumindest alle zwei Jahre einen Südtirol-Schwerpunkt in Form unterschiedlicher Veranstaltungen und Besuche im Parlament zu etablieren, um die Bande zu stärken.

 

UT24: Die Freiheitlichen gelten freilich spätestens seit Otto Scrinzi als jene Partei, die einen besonderen Bezug zu Südtirol hat. Was man von den anderen im Parlament vertretenen Parteien ja nicht mehr sagen kann. Hand aufs Herz, ist die Südtirolfrage außerhalb der Freiheitlichen Partei noch mehr als ein Feigenblatt? Ist Südtirol in Österreich überhaupt noch Thema?

Norbert Hofer:  “In Gesprächen mit Abgeordneten bin ich zum Schluss gekommen, dass Südtirol quer durch alle Parteien vielen Mandataren ein echtes Anliegen ist. Diese Kräfte gilt es zu stärken. Ich bin überzeugt, dass in einer globalen Welt und einem vereinten Europa der identitätsstiftende Zusammenhalt der autochthon gewachsenen Volksgruppen von immer größerer Bedeutung ist. Dieser Zusammenhalt kann auch durch willkürlich gezogene Staatsgrenzen nicht zerstört werden.”

 

UT24: Günther Platter und sein Amtskollege in Südtirol, Arno Kompatscher, bemühen bei jeder Gelegenheit den Begriff “Europaregion Tirol“. In seiner Antrittsrede meinte der Präsident der Europäischen Kommission Jean Claude Juncker in Strasbourg am 22. Oktober allerdings wortwörtlich: “Staaten sind keine provisorische Einrichtung, keine provisorische Erfindung der Geschichte.  Europa muss die Staaten respektieren.” In der fast einstündigen Rede fiel kein einziges Mal der Begriff “Regionen”. Daraus kann man schließen, dass es unter den derzeitigen Voraussetzungen niemals soweit kommen wird, dass die Regionen an die Stelle der Nationalstaaten treten werden. Europa wird ein Zusammenschluss von Staaten bleiben, die über die eigenen Regionen bestimmen werden. Wo liegen die Chancen für die praktische Wiedervereinigung, wenn der “Plan Europaregion“ wie eine Seifenblase zerplatzt? Allein auf der Fläche des Bundeslandes Tirol gibt es schon heute 3 Europaregionen …

Norbert Hofer:  Gerade die Geschichte der letzten Jahre und Jahrzehnte hat gezeigt, dass sich Staatsgrenzen immer wieder verändern. Es gibt kaum ein Beispiel, das zeigt, dass gegen den Willen der Menschen geschaffene multinationale Konstrukte Bestand haben. Es wächst zusammen, was zusammen gehört, und es zerfällt, was ohne tiefe Bindung ist. Ich bin überzeugt, dass ein Zeitfenster kommen wird, in welchem das Unrecht, das den Tirolern angetan wurde, egalisiert wird.

 

UT24: Da ist ja die Frage des vereinfachten Zugangs zur österreichischen Staatsbürgerschaft, die periodisch durch den Blätterwald geistert. Ihr Vorredner, Landeshauptmann Plattner, hat letztes Jahr unter dem Standbild Hofers in Meran feierlich angekündigt, dass jetzt, nach ausgiebiger Prüfung, Taten folgen würden. Oder man den Leuten zumindest die Wahrheit sagen will. Passiert ist weder das eine noch das andere. Im Land an Eisack, Etsch und Rienz hat man den Eindruck, das Anliegen der doppelten Staatsbürgerschaft ist in Wien klammheimlich „schubladisiert“ worden…

Norbert Hofer:  Wir haben dafür noch keine Mehrheit im Parlament gefunden. Derzeitige Umfragewerte für uns Freiheitliche zeigen, dass es in der Realpolitik schwerer werden wird, unsere Anliegen für Südtirol zu ignorieren.

 

UT24: Spielen in diesem Zusammenhang wahltaktische Ãœberlegungen der anderen Parteien eine Rolle?

Norbert Hofer:  Nein, wir haben die Erfahrung gemacht, dass die derzeitigen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP gerne fraktionsfrei als Musterschüler in der EU agieren und sich aus diesem Grund offensichtlich auch nicht konstruktiv kritisch mit der Südtirolpolitik von Teilen der italienischen Politelite auseinandersetzen wollen.

 

UT24: Spätestens seit ihrem konsequenten Durchgreifen in der Affäre Königshofer sind Sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Sie waren federführend daran beteiligt, dass der „Königstiger”, wie er sich selbst nannte, nach skandalösen Aussagen über die Attentate in Norwegen innerhalb kurzer Zeit aus der Partei ausgeschlossen wurde. Werden wir in absehbarer Zeit, bei entsprechenden Wahlergebnissen, einen Minister Norbert Hofer sehen? Wo würden Sie als Minister ansetzen, um Südtirol Österreich näher zu bringen – und umgekehrt?

Norbert Hofer:  In der Politik ist es immer schwer zu sagen, wohin die persönliche Reise geht. Mein persönliches Ziel derzeit ist es, mich auf das Präsidium des Nationalrates zu konzentrieren.

 

UT24: Zurück nach Südtirol – wo wie eh und je in der Landeshauptstadt Mussolini von einem riesigen Fries am Finanzgebäude die Bevölkerung grüßt, wo ein monumentales Denkmal, das den Sieg über Österreich feiert, zur Aufarbeitung ein putziges Kellermuseum bekommen hat, und wo faschistische Ortsnamen nach wie vor gültig sind. Niemand von den verantwortlichen Politikern hat den Mut, Lösungen durchzusetzen, die andernorts seit 60 Jahren Standard sind…

Norbert Hofer:  In Österreich haben wir ein ähnliches Problem. Es gibt immer noch eine Stalin-Gedenktafel in Wien, die zu entfernen man nicht bereit ist.

 

UT24: Werden Sie das Kellermuseum, wie das Dokumentationszentrum unter dem Siegesdenkmal inzwischen abfällig genannt wird, besuchen?

Norbert Hofer:  Nein …

 

UT24: Müssen die Südtiroler mutiger werden, wenn sie im eigenen Land etwas verändern wollen? Skandälchen und Skandale quer durch alle Parteien haben ja in den letzten Jahren eine große Politikverdrossenheit mit sich gebracht, die letztendlich in einer Lethargie enden könnte …

Norbert Hofer:  Die Südtiroler haben in der Vergangenheit unendlich viel an Mut bewiesen. Es muss nun weiter daran gearbeitet werden, die eigene Kultur und Tradition zu bewahren. Wenn sich das besagte Zeitfenster öffnet, darf die eigene Identität nicht aufgegeben worden sein.

 

UT24: Andreas Hofer war übrigens auch einer, der aufbegehrt hat. Was kann uns sein Wirken heute noch sagen?

Norbert Hofer:  Dass wir viel öfter aus unserer Komfortzone heraustreten müssen und es nicht immer bequem sein kann, die Zukunft der eigenen Volksgruppe in einem amorphen gesellschaftspolitischen Umfeld zu bewahren.

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